Fakten essbare Insekten 

 

Insekten zu essen ist eine naheliegende Lösung auf die Herausforderungen der Zukunft, diesowohl enorme Vorteile für die Umwelt bietet als auch zur Sicherstellung einer ausgewogenen Ernährung für die wachsende Weltbevölkerung beiträgt. Die FAO (die Food and Agriculture Organisation der Vereinten Nationen) hat dies bereits in ihrem berühmten Bericht 2013 offiziell hervorgehoben.

 

Unser gegenwärtiges Ernährungssystem steht unter enormem Druck und muss reformiert werden, um dazu beizutragen zu können, die ökologische Krise, mit der wir konfrontiert sind, zu bewältigen.

Die Nahrungsmittel- und Agrarpolitik geht derzeit nicht weit genug, um die in Paris festgelegten Klimaziele zu erreichen. Die Schweiz unternimmt grosse Anstrengungen und dennoch sieht die Botschaft des Bundesrates zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik nach 2022 (AP22+) vor, dass bis 2030 nur 67% der Ziele erreicht werden. Die Realität ist noch viel dramatischer: Bei der gegenwärtigen Lage scheint es, als ob wir nur 22% erreichen dürften – wie können wir diese Diskrepanz ausgleichen? …

… mit mehr Engagement, Innovationen und auch, indem wir uns ernsthaft mitbestehenden Lösungen auseinandersetzen, wie den Insekten. Sie sind ein Paradebeispiel, denn die ökologischen Vorteile, die sie bieten, können uns erheblich dabei helfen, die gesetzten Ziele besser zu erreichen. Zudem bergen sie ein enormes ernährungsphysiologisch Potenzial, enthalten sie doch alle benötigten Grundnährstoffe wie Proteine (die 9 essentiellen Aminosäuren), mehrfach ungesättigte Fettsäuren, Vitamine (einschließlich B12), Mineralien und Ballaststoffe.

Lokales Superfood

Insekten, die auf unseren Tellern landen, sind keineswegs aus der freien Natur entnommen, denn das ist aus guten Gründen verboten. Als «essbar» bezeichnete Insekten, oft auch «Speiseinsekten» genannt, sind unter spezifischen, kontrollierten Bedingungen gezüchtet, die gewerbliche Zucht und Weiterverarbeitung ist genehmigungspflichtig.

Die in der Schweiz und Europa als Lebensmittel gezüchteten Insekten sind sicher und unbedenklich für uns Menschen. Das Futter steht nicht in Konkurrenz zu dem, was wir Menschen essen. Denn was in der Lebensmittelproduktion übrigbleibt, wie zum Beispiel Weizenkleie oder Ausschussgemüse- und Obst, kann an die Insekten verfüttert werden. Die Futtermittel müssen dabei frei von Pestiziden und Giftstoffen sein. Insekten sind also ein sicheres, unbedenkliches und nahrhaftes Lebensmittel.

Ernährungsphysiologisch, was macht die Speiseinsekten denn so wertvoll?

 

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Reich an Protein und essentiellen Aminosäuren

Der Proteingehalt der Insekten variiert stark von Art zu Art und hängt auch vom Futtermittel (z.B. Gemüse, Getreide oder Nebenströme) ab (FAO, 2012f). Generell ist der Proteingehalt bei getrockneten Insekten hoch (bis zu 70%), und daher trägt die Verwendung von Insekten als Nahrungsmittel dazu bei, die Ernährungsqualität zu verbessern, wenn Proteine tierischer Herkunft einbezogen werden.

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Reich an Vitaminen und Mineralien, wie Vitamine A, B, B12, Magnesium oder Eisen

Mikronährstoffmängel, die in vielen Entwicklungsländern an der Tagesordnung sind, können erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Gesundheit haben (FAO, 2011c). Der Verzehr des gesamten Insektenkörpers erhöht im Allgemeinen den Nährstoffgehalt (N. Roos, persönliche Mitteilung, 2012). Vitamin B12 kommt nur in Lebensmitteln tierischen Ursprungs vor und ist bei Mehlwurmlarven, Tenebrio molitor (0,47 μg pro 100 g) und Grillen, Acheta domesticus (5,4 μg pro 100 g bei Erwachsenen und 8,7 μg pro 100 g bei Nymphen) gut vertreten (Bukkens, 2005; Finke, 2002). 

 

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Gute Quelle für ungesättigte Fette und gutes Omega 3:6-Gleichgewicht

Womeni et al. (2009) untersuchten den Gehalt und die Zusammensetzung von Fetten, die aus verschiedenen Insekten gewonnen wurden. Ihre Fette sind reich an mehrfach ungesättigten Fettsäuren und enthalten häufig die essentielle Linol- und α-Linolensäure. Die ernährungsphysiologische Bedeutung dieser beiden essentiellen Fettsäuren ist gut bekannt, vor allem für die gesunde Entwicklung von Kindern und Säuglingen (Michaelsen et al., 2009). Die Insekten könnten eine wichtige Rolle spielen, indem sie diese essentiellen Fettsäuren für die lokale Ernährung liefern (N. Roos, persönliche Mitteilung, 2012).

 

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Viele präbiotische Fasern wie Chitin und Nährstoffe für probiotische Darmbakterien

Insekten enthalten erhebliche Mengen an Fasern. Die häufigste Faserform bei Insekten ist Chitin, eine unlösliche Faser, die aus dem Exoskelett stammt. Finke (2007) schätzte den Chitingehalt von Insektenarten und stellte fest, dass er im Bereich von 2,7 mg bis 49,8 mg pro kg (frisch) und von 11,6 mg bis 137,2 mg pro kg (Trockenmasse) liegt. Chitin ähnelt dem in Pflanzen vorkommenden Polysaccharid Cellulose, von dem man annimmt, dass es vom Menschen weitgehend unverdaulich ist, obwohl Chitinase in menschlichen Magensäften gefunden wurde (Paoletti et al., 2007). Einige argumentieren, dass Chitin wie ein Ballaststoff wirkt (Muzzarelli et al., 2001).

Allergiker sollten beim Verzehr von Insekten vorsichtig sein. Denn wer allergisch auf Krebstiere oder Hausstaubmilben reagiert, kann eine solche Reaktion auch bei Insekten zeigen.

 

Wieso sind die Insekten eine riesige Opportunität für die Umwelt? 

 

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Umwandlung von Lebensmitteln

Normalerweise wird für 1 kg Lebendgewicht des Tieres in einem typischen Produktionssystem die folgende Menge an Futtermitteln benötigt: 2,5 kg für Huhn, 5 kg für Schweinefleisch, 10 kg für Rindfleisch (Smil, 2002), 1.7 kg Insekten (Collavo et al., 2005).

Insekten benötigen weit weniger Futter. Wenn diese Zahlen um das essbare Gewicht bereinigt werden (normalerweise kann nicht das ganze Tier gegessen werden), wird der Vorteil des Verzehrs von Insekten noch grösser (van Huis, 2013). Nakagaki und DeFoliart (1991) schätzten, dass bis zu 80 Prozent einer Grille essbar und verdaulich sind, verglichen mit 55 Prozent bei Hühnern und Schweinen und 40 Prozent bei Rindern. Dies bedeutet, dass Grillen bei der Umwandlung von Futter in Fleisch doppelt so effizient sind wie Hühner, mindestens viermal so effizient wie Schweine und 12-mal so effizient wie Rinder.

 

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Organische Nebenströme

Einer der Vorteile von Insekten als alternative tierische Proteinquelle besteht darin, dass sogenannte Nebenströme verfüttert werden können. Als Nebenströme bezeichnet man z.B. unverkäufliche Lebensmittelprodukte, Restbestände oder „Abfall“ aus der Produktion, wie Weizenkleie.

In vielen industriellen Insektenzuchten werden, wie auch bei der Hühner- oder Schweinezucht, hochwertige Futtermittel, wie z.B. frisches Getreide, verfüttert. Den Verzicht darauf und die Nutzung von Nebenströmen als Futtermittel hat nicht nur monetäre Vorteile (günstiger), sondern allen voran auch ökologische: Das hochwertige Nahrungsmittel (Getreide) können wir Menschen direkt als Lebensmittel nutzen, die aus unserer Sicht niederwertigen Reste (Getreideschalen) können durch Verfütterung an die Insekten wieder zu hochwertigen Nahrungsmitteln umgewandelt werden.

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Treibhausgas- und Ammoniakemissionen

Die Viehzucht ist für 18 % der Treibhausgas (THG)-Emissionen (CO2-Äquivalent) verantwortlich, ein höherer Anteil als der Transportsektor (Steinfeld et al., 2006). Zu den Insekten, die in der westlichen Welt als essbar bekannt sind, gehören Arten wie Mehlwürmer, Grillen und Heuschrecken, die in ihren THG-Emissionen im Vergleich zu Schweinen und Rindern besser dastehen: Sie stossen etwa 100-mal weniger THG aus (Oonincx et al., 2010). Tierische Abfälle (vor allem ammoniakhaltig Urin und Dung) tragen zudem zur Umweltverschmutzung bei, die zu Bodenversauerung führen können (Aarnink et al., 1995). Auch hier schneiden Mehlwürmer, Grillen und Heuschrecken im Vergleich zu Schweinen besser ab, so ist die Ammoniakemission rund zehnfach geringer (Oonincx et al., 2010). 

 

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Wassernutzung

Die Landwirtschaft verbraucht weltweit etwa 70 Prozent des Trinkwassers (Pimentel et al., 2004). Chapagain und Hoekstra (2003) schätzten, dass die Produktion von 1 kg tierischem Protein 5-20 Mal mehr Wasser benötigt als die Erzeugung von 1 kg Getreideprotein. Diese Zahl nähert sich dem 100-fachen, wenn man das Wasser, dass für die Produktion von Futterbenötigt wird, in die Gleichung einbezieht (Pimentel und Pimentel, 2003). Chapagain und Hoekstra (2003) sprechen hier von «virtuellem Wasser». Den Autoren zufolge werdenfolgende Mengen virtuelles Wasser benötigt für die Produktion von je 1 kg Fleisch: Huhn 2300 Liter, Schwein 3500 Liter, Rind 22000 Liter – wobei die Schätzungen für Letzteres bis zu 43000 Liter erreichen (Pimentel et al., 2004) .

Insekten hingegen haben einen Wasserbedarf, der nur einen Bruchteil der oben genannten Zahlen ausmacht.

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Lebenszyklus-Analyse

Die Ökobilanz ist eine Technik zur Bewertung der Umweltauswirkungen in allen Phasen des Produktzyklus. Von den essbaren Insekten wurden nur die Mehlwürmer auf diese Weise bewertet. Oonincx und de Boer (2012) quantifizierten den Ausstoss von Treibhausgasen, den Energieverbrauch und die Landnutzungsfläche in der gesamten Mehlwurm-Produktionskette und stellten fest, dass der Energieverbrauch für die Produktion von 1 kg Protein bei Mehlwürmern niedriger als bei Rindfleisch, vergleichbar mit Schweinefleisch, und etwas höher als bei Huhn und Milch war.

 

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Risiko zoonotischer Infektionen

Von einer «zoonotischen Infektion» spricht man bei der Übertragung von Krankheiten vom Mensch zu Tier und/oder zurück. Die intensive Massentierhaltung mit einer hohen Anzahl an Lebewesen auf kleinem Raum ist ein Ausgangspunkt für viele bedeutende Gesundheitsprobleme und ist bekannt dafür, dass sie das Entstehen von antibiotikaresistenten Bakterien auslöst. In den letzten Jahren hat das Auftreten des schweren akuten respiratorischen Syndroms Coronavirus (bekannt als SARS oder COVID 19) und der Influenza-A-Viren (bekannt als Vogelgrippe oder H5N1 und H7N7) weltweit Besorgnis über das Potenzial für Pandemien ausgelöst. Da Insekten taxonomisch viel weiter vom Menschen entfernt sind als konventionelle Nutztiere, wird das Risiko von Zoonose-Infektionen als gering eingeschätzt.

In der Schweiz sind die geltenden Vorschriften für die Zucht dennoch streng und tragen diesem Risiko Rechnung. Jeder Zuchtbetrieb wird regelmässig kontrolliert und muss die von den Bundes- und Kantonsbehörden festgelegten Regeln strikt anwenden.